Religionsunterricht und Katechese
Dem Direktorium für die Katechese (Nr. 73) und auch anderen kirchlichen Dokumenten kann man entnehmen, dass zwischen dem Religionsunterricht in der Schule und der Katechese „ein untrennbarer Zusammenhang und zugleich ein klarer Unterschied“ besteht. Ich möchte nun aufzeigen, worin sich Religionsunterricht und Katechese unterscheiden, inwiefern sie miteinander verbunden sind und was dies für die Praxis kirchlichen Handelns bedeutet.
Der Religionsunterricht wird in Österreich von staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften verantwortet und durch die jeweilige Religionsgemeinschaft und vom Staat kontrolliert. Er versteht sich als Dienst an der Jugend und an der ganzen Gesellschaft, weil er mithilft, den Auftrag der Schule zu verwirklichen, „an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken“ (§ 2 SchOG).
Der Religionsunterricht in der Schule wendet sich nicht nur an glaubenswillige, sondern auch an suchende und zweifelnde, sowie an sich als ungläubig verstehende Schülerinnen und Schüler. Er will weder indoktrinieren, noch in erster Linie aktive Kirchenmitglieder rekrutieren. Seine Zielsetzung ist die religiöse Kompetenz: Schülerinnen und Schüler sollen sich im Religionsunterricht mit Menschen und ihrer Lebensorientierung, mit ihrer eigenen Bezugsreligion und mit der Vielfalt religiöser Überzeugungen und Weltanschauungen in der Gesellschaft sachlich auseinandersetzen und dadurch lernen und befähigt werden, eine eigene, reflektierte Position zu religiösen und ethischen Fragen einzunehmen und gegenüber anderen argumentativ zu vertreten.
Wichtige Religionslehrer. Für uns, die Kirche, bietet der Religionsunterricht in den Schulen und Bildungsstätten unseres Landes auch die Möglichkeit und Chance, junge Menschen mit den Inhalten und Werten unseres christlichen Glaubens bekannt und vertraut zu machen. Die Religionslehrerinnen und Religionslehrer spielen dabei eine ganz entscheidende Rolle. Sie sollen nicht nur pädagogisch und theologisch kompetent Religion unterrichten; sie sind für ihre Anvertrauten oft auch wichtige Ansprechpersonen in Bezug auf Glaube und Kirche. Ihrer Persönlichkeit und Ausstrahlungskraft ist es auch zu verdanken, dass nach wie vor viele junge Menschen den Kontakt zur Kirche suchen, Interesse am Glauben zeigen und sich z. B. auch zur Erstkommunion- und Firmvorbereitung anmelden.
Mehr Charakter. Trotz dieser positiven Wirkungen müssen Religionsunterricht und Katechese deutlich voneinander unterschieden werden. Während der Religionsunterricht auf die Vermittlung von religiöser Sachkompetenz zielt, ist es Aufgabe der Katechese, Menschen in den christlichen Glauben einzuführen und das Leben als Christ einzuüben. Ihr Ziel ist „die Hinführung zur Grundentscheidung, als Christ leben zu wollen“ (Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche“, hrsg. von den liturgischen Instituten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, S. 17). Die Katechese fällt in den Kompetenzbereich der Pfarre. Wer seine Augen nicht vor der Tatsache verschließt, dass wir es heutzutage mit immer mehr Menschen zu tun haben, die zwar getauft und gefirmt sind, aber mit Glauben und Kirche nichts oder kaum etwas „am Hut haben“, weiß, wie wichtig eine gute und solide Vorbereitung auf den Sakramentenempfang ist. Deswegen darf sich z. B. die Vorbereitung auf Taufe, Firmung und Erstkommunion gerade im Hinblick auf die religiöse Situation vieler junger Menschen heute nicht mit einem religiösen Schnupperkurs oder mit einem niederschwelligen religiösen Angebot begnügen; sie muss den Charakter des Katechumenats haben. Schon in der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils heißt es ausdrücklich in der Nr. 9: „Ehe die Menschen zur Liturgie hintreten können, müssen sie zu Glauben und Bekehrung gerufen werden.“ Papst Franziskus schlägt in dieselbe Kerbe. Für ihn ist die Katechese „die Mitte der Evangelisierungstätigkeit und jedes Bemühens um Erneuerung“ (EG, Nr. 164) und für Kardinal Walter Kasper sogar „der Schlüssel für die Zukunft der Kirche“. (W. Kasper, Weil Sakramente Zukunft haben, S. 24) Trotz unterschiedlicher Zielsetzung von Religionsunterricht und Katechese ist eine Zusammenarbeit von Religionslehrerinnen und Religionslehrern mit den in der Pastoral tätigen Personen nicht nur wünschenswert, sondern im Interesse an der gemeinsamen Sache geradezu geboten. Daher werden eine Pfarrpastoral, die die Jugendarbeit ernstnimmt, wie auch ein guter Religionsunterricht bemüht sein, junge Menschen anzustiften und zu motivieren, eigene Erfahrungen mit Glaube und Kirche zu machen und als Christen zu leben. Erfreulicherweise gibt es auch nach wie vor viele Religionslehrerinnen und Religionslehrer, die, weil sie selber mit Freude und Begeisterung Christen sind, sich für den katechetischen Dienst in ihrer Wohn- oder Einsatzpfarre zur Verfügung stellen.
Christliches Leben kennen lernen. Nach Monika Scheidler, der Religionspädagogin an der TU in Dresden, ergänzen sich Katechese und Religionsunterricht idealerweise wie Standbein und Spielbein. Auch ist ihrer Beobachtung zuzustimmen, dass der schulische Religionsunterricht in den letzten 30 Jahren für die meisten Heranwachsenden das Standbein der religiösen Bildung war, während die punktuellen katechetischen Begegnungen im Rahmen der Kommunion- und Firmvorbereitung das Spielbein waren. Papst Franziskus will eine missionarische Umgestaltung des gesamten kirchlichen Lebens. Die katechetischen Bemühungen in unseren Pfarren zu verstärken und den schulischen Religionsunterricht und katechetische Lernwege als die „zwei notwendigen Beine“ weiter zu entwickeln, auf denen getaufte Kinder und Jugendliche christliches Leben kennen lernen und vertiefen können, sind ein wichtiger Beitrag dazu.
Erich Seifner