Spätsommer und Herbst sind eine schöne und bunte Zeit. Nach der Hitze des Sommers tut Abkühlung gut. Damit aber meine ich nicht nur Wetter und Klima und manche Unwetterkapriolen. Ich meine das Leben und die Menschen, die Leben schreiben und gestalten, Leben aber auch behindern und einschränken. Gereifte Aussaat wird in diesen Wochen geerntet, anderes wartet noch auf die Ernte. Viele sind dankbar für dieses Geschenk der Schöpfung und für die Frucht der Arbeit, andere sind nie zufrieden, sie bekommen nie genug. Unzufriedenheit, gepaart mit der wachsenden Empörung über alles und alle und das Gift des Nörgelns gehören leider für zu viele zur täglichen Sprache des Lebens. Daraus entstehen Egoismus, Habsucht, Unzufriedenheit, Neid, falsche Besitzansprüche, Missgunst, die Unruhe des Herzens. Streit über Streit auf allen Ebenen, nachzulesen in den Seiten der sommerlichen geschwätzigen Boulevardblätter, im Burgenland fleißig geübt. Als Leser wundert man sich, worüber es sich streiten lässt. Und auch in der Kirche und unter den Christen wird heftig gestritten.
Im Herbst werden auch die Karten neu gemischt, die Weltsituation, die Bundes-, Landes- und Gemeindepolitik und die großen Fragen und Entscheidungen, die alle betreffen, stehen jetzt an und können nicht auf das neue Jahr verschoben werden: Wer baut Frieden, wenn die Welt von Hass und Gier überkocht, neben uns und in vielen Ländern, die dem täglichen Radarschirm der Nachrichtenticker längst entfallen sind? Wie wird es mit unserer Zukunft, der Arbeitssituation, der schrumpfenden jungen Generation und der wachsenden älteren Generation werden? Wer wird die Pensionen finanzieren, die Alleinstehenden, Hilfebedürftigen und Alten pflegen, die Kinder erziehen und die Arbeiten tun, die niemand mehr tun möchte? Die Künstliche Intelligenz wird sich mit diesen Fragen nicht beschäftigen, sie zeigt keine Empathie. Wer wird die Kranken pflegen, die Spitäler finanzieren und das kranke Gesundheitssystem gesund pflegen? Wer wird die Kommunikation beleben, Gespräche ankurbeln und endlich sagen, dass das alles mit der sogenannten sozialen Kommunikation uns nicht verbindet und zueinander bringt, sondern die Menschen isoliert und entfremdet? Junge Menschen werden krank, sie kommunizieren ununterbrochen und reden doch nicht, sie leben in einer Sonderwelt, in ihrer virtuellen Welt, in den Blasen der Wirklichkeitsverweigerung. Und wir Alten schauen zu. Die Verkrempelung der Welt und des Lebens nimmt ständig zu, Denken und Nachdenken haben wir ausgelagert und wir haben noch nicht erkannt, dass wir Getriebene und Gegängelte sind. Demokratien sind hinterfragbar geworden und Fragen verdächtig und suspekt. Die Rezeptschreiber und Vereinfacher, die Influenzer und Einflüsterer verdienen sich dumm und dämlich.
Die Erwartungen und Vorstellungen vieler Menschen sind weit überzogen und entsprechen nicht der Lebenswirklichkeit und der realistischen Umsetzbarkeit. Müssen Kindergärten für alle – auch für Doppelverdiener – unbedingt gratis sein, müssen die Schulen, Stätten der Bildung und der Ausbildung, in Zukunft zu Hochsicherheitstrakten mit versperrten Türen und Kameraüberwachung umgebaut werden, muss die Erziehung der Kinder noch mehr aus der Verantwortung der Eltern ausgelagert werden? Kameras können das Leben nicht absichern und Waffen sind gefährlich, wenn sie in den Besitz der Narren kommen. Ist der Förderdschungel mit Geldsummen, die von Brüssel, vom Bund oder vom Land und anderen Organisationen immer noch ausgeschüttet werden, weiterhin zu verantworten? Und werden es sich die arbeitenden Menschen weiterhin gefallen lassen, dass sie für diese Verschwendung arbeiten und zahlen? Politik ist mehr als Populismus und Symbolpolitik, sie ist eine große Verantwortung für eine gute Zukunft.
Wahrheitssuche darf nicht auf die Machtfrage oder auf Beliebigkeit verkürzt werden, ethische und moralische Fundamente dürfen nicht auf Mehrheitsfindung und Wahlkämpfe reduziert werden. Billige Anpassung und Verblendung haben die Welt noch nie verändert, sondern der Mut zum Widerstand, zur Bescheidenheit, die Demut und die Verantwortung vor dem eigenen Gewissen.
Die Christen müssten eigentlich vorangehen. Ob es ihnen gelingt, Lebensräume zu schaffen, die Gott und den Menschen Platz geben und sie zueinander bringen? Lebensräume und Glaubensräume dürfen einander nicht fremd sein. Ist ein gutes Miteinander, ohne Streit, Konkurrenz und Verdächtigung, ohne Rivalität, dafür mit Ehrlichkeit und Verantwortung Gott und den Menschen gegenüber, möglich? Irgendeine Frömmigkeit, die mit dem Leben fremdelt, hat mit dem Leben und mit der Wirklichkeit des Glaubens nichts mehr zu tun. Wenn Leben und Glaube sich entfremden, wird das Leben eintönig, der Glaube wird zur folkloristischen Behübschung, Aberglaube und Flucht ins Esoterische und ins Exotische schreiten voran.
Das Leben könnte so bunt sein, wie die Zeit der Ernte, ein Geschenk und voller Überraschungen: Schön, gut und wahr, herausfordernd und gewagt, versöhnt und barmherzig, nicht überheblich und nicht angeberisch, zufrieden und befriedend. Und es könnte aufregend, abenteuerlich und verheißungsvoll sein, wenn wir Gott in unser Leben hineinnehmen.
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