Wer behauptet: „Der Tod lässt mich kalt“ und das Sterben als nebensächlichste Nebensache abtut, ist nicht ehrlich. In diesem Zusammenhang können sogar Religionen und der Glaube zu einer lebensfremden, frömmelnden Ideologie werden. Sie reden gerne von „Wiedersehensfeier“, von „Abschied auf Zeit“, von „christlicher Verabschiedung“, vom „Gehen in den nächsten Raum“. Viele verdrängen den Tod, sie überspielen ihn und tun so, als würde der Tod mit dem Leben nichts zu tun haben. Nur der hl. Franz von Assisi konnte angesichts des eigenen Todes den Tod als seinen „Bruder“ im Sonnengesang besingen, weil er auch im herannahenden Sterben an seinen Schöpfer glaubte.
Früher war das Sterben ein „heiliges“ Ereignis und lebenswichtig. Die Verstorbenen wurden zuhause aufgebahrt, bei den Toten wurde gewacht, die Uhren wurden angehalten, DIE Zeit bliebe stehen, miteinander wurde geweint, gebetet und gewacht, Kurzgeschichten der Gegangenen wurden erzählt, noch nicht geschriebene Lebensromane entworfen und Zukunft wurde geschmiedet, dem Tod zum Trotz. Das Kreuz, das in den Sarg gelegt, der Rosenkranz, der um die gefalteten Hände geschlungen wurde und das schönste Kleid, mit dem die Verstorbenen bekleidet wurden, lagen immer schon bereit. Die Verstorbenen wurden nicht dem Bestatter überlassen. Der Tod kommt meist ungebeten, oft brutal, manchmal erwartet, aber niemals geplant. Geplantes Sterben, der gewollte Suizid bleibt mörderisch. Niemand entkommt dem Tod, auch jene nicht, die alle Mühe und alles Geld aufwenden und alle Ärzte bombardieren, um ihr Leben zu verlängern und dem Tod zu entkommen. Andere haben den Tod verdrängt, dem Sterben die menschliche Würde genommen und das Sterben in die Fremde ausgelagert. Nicht wenige mühen sich, ihre Toten rasch, aufwendig und mit viel Geschwätz zu „entsorgen“. Das Geschäft mit den Toten floriert, es wird immer befremdender und menschenunwürdiger.
Auf den Innen- und Außenwänden der alten Kirchen gab es die Darstellung der Totentänze. Das Jüngste Gericht war den Menschen nicht fremd, jenes von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle wird von den Rombesuchern durch die Jahrhunderte bewundert. Der Sensenmann war allgegenwärtig und die Sarkophage (übersetzt: „Fleischfresser“) gehörten zum festen Bestandteil des Kircheninventares um Allerseelen. Im Vergleich dazu sind alle Halloween-Produkte Lächerlichkeiten. Sogar die übergroßen Darstellungen des hl. Christophorus im Kircheninneren und auf den Außenwänden der Kirchen und Bürgerhäuser wurden zur stillen Verheißung dafür, dass man am Tag, an dem man auf den Christusträger aufschaut, nicht eines plötzlichen unvorhergesehenen Todes sterben werde.
Vor kurzem konnte man in einem weit verbreiteten Tagesblatt lesen: „Umsonst ist der Tod, aber gratis leider nicht. Hinterbliebene werden für bestehende Gräber oft jahrzehntelang ganz schön zur Kasse gebeten.“ Dieser Deutungsversuch ist nicht nur stilistisch falsch und inhaltlich fragwürdig, er ist auch völlig daneben. Falsche Wörter wurden in falsche Zusammenhänge gepresst. Richtig ist: Der Tod ist teuer, auch das Sterben, beide kosten das Leben. Der Tod frisst das Leben, auch wenn manche Superfromme nicht mehr von Begräbnis, Requiem und Abschied reden, sondern so tun, als würden sie das Leben nach dem Sterben bestimmen. Gott trauen sie die Auferstehung nicht mehr zu. Wenn andere die Asche ihrer Verstorbenen im Regal lagern, im Wasser, in den Bergen oder auf den Grünflächen verstreuen oder sogar in Schmuckstücke pressen, wenn die „Letzte Generation“ der Klimaaktivisten die Apokalypse entwirft, die nur Gott zusteht, der den jüngsten Tag nicht als Tag des Unterganges, sondern als Tag der Vollendung zusagt, an dem er die Toten aus den Gräbern holen wird, dann haben sich die Gewichtungen in unserem Leben und in unserer Beziehung zu Gott deutlich verschoben.
Einfach zum Nachdenken:
Was wäre, wenn unsere Angehörigen wieder zuhause sterben dürften?
Was wäre, wenn das Betten in den Sarg und damit in die Hände Gottes, wieder ein schöner und dankwürdiger Dienst der Hinterbliebenen sein könnte?
Was wäre, wenn wir uns die Alternative: „verbrennen“ oder „bestatten“ nicht so einfach machen würden?
Verstorbene lässt man nicht „verschwinden“ nach dem Motto: „Wir haben uns in aller Stille verabschiedet“.
Tod und Begräbnis sind keine Privatangelegenheit. Das Abschiednehmen, der Dank, das aufrichtende Gebet und der Trost vieler sind ein gemeinschaftliches Ereignis, kein privates Schicksal.
Friedhöfe sind die Visitenkarte der Lebenden und der Kultur eines Volkes. Unsere Friedhöfe müssten entsiegelt und nicht mit Grabplatten zugepflastert und versiegelt werden. Blühende Gräber sind ein Ausdruck unserer Hoffnung auf das ewige Leben bei Gott und Friedhöfe, die blühen und von brennenden Kerzen durchflutet werden, haben den Namen „Gottesacker“ wirklich verdient.
Ein ehrliches Begräbnis verzichtet auf Musik aus der Konserve, auf das Zerreden der Verstorbenen, es bringt vielmehr Gott zur Sprache: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben in Ewigkeit!“
Verstorbene schwätzen nicht, doch sie reden von uns, den Lebenden, von unserer Hoffnung, von unserem Glauben, von der Würde und von der Unverwechselbarkeit jedes Menschen. Und sie reden von Gott, der unsere Verstorbenen mit Leib und Seele heimholen wird. Wie und wann – das wissen wir nicht, vielleicht ganz anders, als wir denken.
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