Seit über 100 Jahren ist er der Landespatron des Burgenlandes, der Diözesanpatron der Diözese Eisenstadt seit über 60 Jahren. Das Einzigartige: Dass er längst Landespatron war, bevor er zum Diözesanpatron wurde und dass nicht Bischöfe und Diözesanadministratoren, sondern politische Verantwortungsträger in Rom für den heiligen Martin als Landespatron vorstellig geworden sind. Der Heilige war der damaligen Landesregierung ein großes Anliegen. Wohl auch deshalb, da man sich vor dem heiligen Stephanus, dem König der Ungarn „hüten“ wollte, die Eigenständigkeit des neuen Burgenlandes hervorheben musste und nicht in die alte Abhängigkeit der ungarischen Mehrheitsverhältnisse zurückfallen durfte. Man könnte sagen, ein durchaus frommer Ansatz mit politscher Note.
Zwischen den beiden Heiligen, dem heiligen Bischof und dem heiligen König besteht keine Konkurrenz, beide gehören zu den Fundamenten unseres christlichen Erbes im pannonischen Raum. Ob Martin in Szombathely, auf dem Martinsberg in Pannonhalma bei den Benediktinermönchen oder irgendwo in der ungarischen Tiefebene geboren ist, bleibt zweitrangig. Er hat hier gewirkt, missioniert und er hat den Glauben an den Gott Jesu Christi gebracht und diesen Glauben exemplarisch vorgelebt. Er hat die Menschen und die Gesellschaft verändert und er hat sie geprägt bis heute. Es ist nie einerlei, wie wir glauben, was wir leben und wer wir sind. Niemand hat „seinen“ Glauben und glauben ist etwas ganz anderes als nur „gottgläubig“ zu sein!
Der christliche Glaube ist eine Vermenschlichung des Menschen, weil er in Gott, der Liebe ist, seinen Ursprung hat und die Menschen, die Gottes Ebenbild sind, geschaffen hat und sie liebt. Christlicher Glaube rechnet nicht ab, Auge um Auge und Zahn um Zahn und er sichert sich nicht einen Platz bei Gott, wenn er Ungläubige hinrichtet und metzelt. Christsein verfügt und bestimmt nicht über das Leben, sondern nimmt das Leben als Geschenk, das geborene und ungeborene und das zum Ende gekommene. Der Christ empfängt das Leben als geschenktes und weiß, dass jede raffinierte Technik zur Lebensplanung, wie etwa die Leihmutterschaft und jeder selbstmörderische Versuch der gezielten Lebensbeendung eine Missachtung des Lebens sind. Christliches Leben könnte auch heißen, den anderen mehr gönnen als mir zusteht, ohne Neid und ohne Gier, dem Nachbarn und dem Nächsten Gutes gönnen, Gutes sagen und Gutes verheiße: sie segnen. Der Christ hält den Himmel weit offen, das Reich Gottes ist ihnen zugesagt, das „tausendjährige Reich“ mit den ewig Gestrigen hat nur Elend und Unheil gebracht., das haben mittlerweile sogar die Letzten erkannt. Die Menschen nicht ausnützen, auch nicht bei der Erntearbeit und bei anderen Beschäftigungen, ihnen den Lohn geben, der ihnen zusteht, sie nicht belächeln, über sie nicht schwätzen, witzeln und den Mund zerreißen, nicht auf Kosten der anderen leben und sie nicht hinters Licht führen, auch das ist christlich.
Christen denken groß, weil der menschgewordene Gott sie und alle Menschen groß macht. Ob das gängige Säuseln über biologische Selbstbestimmung, der Streit über das Namensrecht, die gendergerechte Sprache, die Legalisierung von Cannabis oder die Errichtung von geschlechtsneutralen Toiletten und das Kopftuch wirklich so lebenswichtig ist, sei dahingestellt. Lebenswichtiger und entscheidender bleiben das Mühen um gute und anerkennende Arbeit, das Streben nach innerer Sicherheit und verantworteter Migration, die Anstrengung um sichere Schulen, ihre Kinder und Lehrer, für Bildung, die mehr ist als Fachwissen, der Einsatz für gute Spitäler, für Pflege und Gesundheitsversorgung, die Förderung von Familien und Lebensgemeinschaften, gelingende Inklusion und offene Augen für das behinderte und zu kurz gekommene Leben. Das sehen und versuchen die Christen. Der Glaube ist kein abgehobenes und lebensfremdes Tun, keine Vertröstung und keine Ideologie, keine Wirklichkeitsflucht und kein Ausweichmanöver für fromme Grenzgänger. Glaube ist keine Flucht in irgendeine Religion. „Religiös“ zu sein, heißt noch nicht „Glauben“. Glaube ist Zuflucht zu Gott, Begegnung mit ihm, hören auf ihn und reden mit ihm, der unserem Leben und Tun, unserer Sehnsucht und unserem Scheitern zuvorkommt. Der lebendige Glaube an den Gott Jesu Christi und das Erkennen dieses Gottes und seines Namens und die Feier des Sonntags als Herrentag umreißen die ersten drei Gebote des Dekaloges. Sind diese Gebote, die Unterscheidung des wirklich Christlichen, bereits vergessen? Die Götzen, Abbilder und Ersatzgötter, die es schon zu Zeiten des heiligen Martin gab und die es noch immer gibt, sind nur ein billiger Abklatsch, den Moden unterworfen und Selbsttäuschung.
All das lehrt uns der heilige Martin!
Und wie zu seiner Zeit vor 1700 Jahren lassen sich heute wieder Erwachsene taufen, stellen sich junge Menschen der Gottesfrage und machen sich auf die Suche nach Gott. Sie möchten viel mehr als nur gut, brav, super und ethisch anspruchsvoll sein. Sie wollen wieder die Begegnung mit ihm, diesem Gott und mit den Menschen, diesen Aufgeriebenen. Alle Anzeichen dafür sind schon da.
Ein gutes Martinifest, zum Lob des heiligen Martin, zur Würde des Menschen, den Nachkommen des heiligen Martin und zum Dank für unser Christsein.
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